Easee-CSO Dekker: „Wir wollen wieder zu den Top-Anbietern gehören!“ - electrive.net (2024)

Herr Dekker, 2023 war ein sehr turbulentes Jahr bei Easee. In der Affäre rund um die Legalität der Wallboxen Charge und Home ist das Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, sogar der Gründungs-CEO ist zurückgetreten. In diesem Jahr hat man bisher weniger von Easee gehört. Was lief in den vergangenen – in der Öffentlichkeit vermeintlich ruhigeren – Monaten ab?

Tatsächlich waren es sehr ereignisreiche Monate. Im Sommer ist unser neuer, externer CEO an Bord gekommen – zum ersten Mal leitet kein Norweger Easee. Das ist ein großer Schritt für uns als Unternehmen und markiert auch den Beginn einer neuen Zeit für uns. Zudem haben wir im Hintergrund den Launch neuer Produkte vorbereitet, für Norwegen, aber auch den europäischen Markt. Und speziell in Deutschland bauen wir ein Team in unserem neuen Büro in München auf, das wir Anfang Oktober eröffnet haben. Erste neue Mitarbeiter sind bereits aktiv, weitere werden folgen. Zum 1. November wird zum Beispiel ein neuer Sales Director bei Easee anfangen, der unsere Geschäfte in der DACH-Region leiten wird.

Die Easee Deutschland GmbH saß bisher in Wismar, also ganz im Norden und näher zu Norwegen. Warum wird der Großteil der Aktivitäten jetzt nach München verlagert?

Wir haben weiterhin ein Team in Wismar. Unser Vertriebsteam war bisher verteilt, das haben wir im Zuge der Neuaufstellung konsolidiert. Ein Teil der Aufgaben ist zu unserem Commercial Hub in Amsterdam gewandert. In dem Prozess haben wir uns gefragt, wie wir den deutschen Markt so bedienen können, dass er bekommt, was verlangt wird. Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich und die nordische Region sind die vier wichtigsten Säulen für Easee. Dabei ist die Entscheidung gefallen, dass das Zentrum unserer deutschen Aktivitäten München sein wird.

Nochmals die Frage: Warum München? Sind die Fachkräfte, die Easee sucht, eher in München zu finden?

Der Zugang zum Talentpool vor Ort war sicher ein wichtiger Faktor. In München sind unzählige weitere eMobility-Unternehmen angesiedelt, zudem ist es eines der Zentren der deutschen Autoindustrie. Es sind also nicht nur Fachkräfte rund um das EV Charging zu finden, sondern rund um das gesamte Ökosystem Elektromobilität. Und: Da wir von dem Standort aus die DACH-Region bedienen werden, war die Nähe zu Österreich und der Schweiz auch wichtig für uns.

Ist das neue, deutsche Team größer oder kleiner als jenes in Wismar, bevor die Turbulenzen in 2023 losgingen?

Tatsächlich ist das Team in ganz Deutschland etwas kleiner. Das liegt aber auch daran, dass wir außerhalb des Sales-Teams unsere ganze Organisation schlanker aufgestellt haben. Wir haben zahlreiche Aufgaben zentralisiert – in Norwegen, in Amsterdam, aber eben auch bei den Teams in Deutschland. Im Sales-Team selbst werden wir mit den Neuzugängen in etwa die gleiche Größe erreichen.

Die Produkte Charge und Home, die im Zentrum der Affäre von 2023 standen, sind gar nicht mehr erhältlich. Wie sieht das aktuelle Produktportfolio aus und welche neuen Produkte werden hinzukommen?

Der Fokus der Charge Lite ist ein einfaches Zuhause mit ein oder zwei E-Autos. Diese müssen geladen werden, darüber hinaus gibt es nur wenige Anforderungen. Es gibt einige Möglichkeiten, smarte Features anzubieten. Die Charge Core bietet bis zu 22 kW und ist für größere Standorte mit mehreren Ladepunkten gedacht.

Neu hinzukommen wird die Easee Charge Max als erstes Produkt auf einer komplett neuen Plattform. Das wichtigste Feature ist, dass es sich um ein MID-zertifiziertes Produkt handelt. Mit einem MID-zertifizierten Zähler kann etwa auch die geladene Energiemenge für den E-Dienstwagen mit dem Arbeitgeber abgerechnet werden. Wir starten mit der Charge Max als Wallbox für das Laden Zuhause, es wird aber später weitere Angebote auf dieser Plattform geben.

Die Charge Lite und Charge Core sehen genauso aus wie die umstrittenen Produkte Charge und Home, die Charge Max nur wenig anders –das Frontcover ist leicht anders gestaltet, hat aber immer noch die Easee-typische Form. Wäre der Neustart nicht glaubhafter zu vermitteln gewesen, wenn die neuen Produkte auch anders aussehen würden?

Sie sieht wirklich leicht anders aus, was im Grunde bedeutet, dass es eine neue Verkleidung gibt. Wir haben das Konzept gleich gelassen, es gibt immer noch unsere abwärtskompatible Grundplatte. Das heißt: Wer schon eine Easee-Wallbox mit der Grundplatte montiert hat, kann diese einfach durch ein anderes Easee-Produkt austauschen lassen. Diese Abwärtskompatibilität hat uns schon immer ausgezeichnet und das wollten wir beibehalten. Das aktualisierte Design ermöglicht es dem Benutzer auch, die für die Messung erforderliche kWh-Anzeige zu sehen.

Die Affäre von 2023 hat Vertrauen in Easee gekostet. Endverbraucher haben womöglich nicht alle Details verfolgt, aber die Schlagzeilen gelesen. Partnerbetriebe und Installateure mussten sich nach dem Verkaufsstopp kurzfristig nach anderen Lieferanten umschauen, um wiederum ihre Kunden weiter bedienen zu können. Wie will Easee dieses Vertrauen wieder herstellen?

Wir haben unseren Partner erklärt, was wir durchgemacht haben und wie viel Kontrolle wir über unsere aktuellen Prozesse haben. Wir haben in diese Gespräche viel Zeit investiert und dabei auch unsere neuen Produkte vorgestellt. Langsam, aber sicher kommt das Vertrauen der Partner zurück. Das neue Team hat sehr viel Zeit auf den Straßen und bei unseren Partnern verbracht.

Im Zuge unserer neuen Strategie gehen wir aber auch sehr selektiv bei der Partnerwahl vor. Früher hatten wir hunderte Vertriebspartner, die direkt bei Easee bestellt haben. Jetzt fokussieren wir uns auf eine Handvoll Schlüsselpartner, vor allem auf Elektro-Großhändler. Das macht es für uns einfacher, einige wenige Vertriebsbeziehungen und das Vertrauen aufzubauen. Man darf aber nicht vergessen: Die Endkunden, die unsere Produkte nutzen, und die Monteure, die sie installiert haben, haben gar nicht so viel davon mitbekommen. Sie haben gute Erfahrungen mit Easee-Wallboxen gemacht, wie einfach sie zu nutzen oder zu installieren waren. Sie freuen sich, dass wir im Markt wieder präsenter werden!

Beim Fokus auf einige große Partner kommen die vielen kleinen Installateure, die bisher auf Easee gesetzt haben, nicht mehr vor. Wie wird sich das auf den Absatz in Deutschland auswirken?

Zunächst vorweg: Kleine Partner sind bei uns nicht raus. Wir sind in der glücklichen Lage, aus all den Partnern, die bereits mit Easee zusammengearbeitet haben, jene auszuwählen und anzusprechen, von denen wir denken, dass sie auch in Zukunft ein guter Partner von uns sind. Das ist ein laufender Prozess, es werden also weitere Partner hinzukommen! Wir haben aber auch Verständnis, wenn Kunden nicht mehr zurückkommen wollen. Jeder ist für sein eigenes Geschäft verantwortlich und muss sicherstellen, dass der Betrieb sicher läuft. Und wir waren zwischenzeitlich nicht lieferfähig.

Zu der Frage nach dem Absatz: Wir glauben, dass der deutsche Markt unser stärkster oder zweitstärkster Markt sein wird. 2022 waren wir unter den Top Five bei den Ladeinfrastruktur-Verkäufen in Deutschland. Und dahin wollen wir zurück: Wir wollen wieder zu den Top-Anbietern gehören!

Neben dem sehr kompakten Design war bisher der Preis ein wichtiges Argument für Easee-Wallboxen, sie waren kompetitiv eingepreist. Wird das weiter ein Fokus für Sie sein, im Preiswettbewerb mitzuhalten?

Tatsächlich stand ein möglichst niedriger Preis bisher nicht im Fokus. Mit unserer Konstruktion und der Modularität waren wir in der Lage, skalierbar und effizient zu fertigen. Das hat uns ermöglicht, den passenden Preis für das Produkt zu verlangen. Das wollen wir beibehalten, auch mit der neuen Plattform.

Wie viel hat die gesamte Affäre Easee in Summe gekostet? Die Untersuchungen, neue Dokumentationen, entgangene Verkäufe, die Entwicklung neuer Produkte. All das war sehr teuer.

Das ist eine gute Frage. Ich kenne diese Zahl nicht. Ich weiß ehrlich gesagt nicht einmal, ob wir eine solche Zahl intern jemals ermittelt haben.

Wir haben natürlich sehr viel in den Wandel des Unternehmens investiert, was noch Zeit braucht. Manches davon sind klassische Kosten, anderes aber auch eine Anlage in unsere Zukunft. Wir haben uns mit einer stabilen Struktur neu aufgestellt, wir können gut auf neue Gegebenheiten reagieren. Wir sind gerade erst selbst durch einen Sturm gegangen und damit vielleicht besser auf kommende Stürme vorbereitet als andere. Natürlich hat das Geld gekostet, wird uns aber in der Zukunft helfen.

Wenn Sie auf die vergangenen anderthalb Jahre zurückblicken: Hat sich der Ansatz, wie Easee Innovationen angeht, verändert? Oder ist es eine Phase, die so langsam abgehakt wurde, und weiter geht es?

Die Art und Weise, wie wir Dinge angehen und über Entwicklung denken, hat sich natürlich geändert! Ich denke, das war sogar ein positiver Effekt. Ich würde nicht sagen, dass wir vorsichtiger geworden sind, aber wir durchdenken die Dinge mehr. Was wollen wir mit dem Produkt erreichen, wo wollen wir hin? Was muss dieses Produkt können, um wirklich einen Mehrwert zu bieten? Wir stecken gerade mitten in den Arbeiten, mit unserem neuen CEO die Strategie für die kommenden drei Jahre zu entwickeln. Die neue Produkt-Plattform ist ein Teil davon, es wird aber noch mehr geben. In diesem Prozess kann ich schon große Unterschiede dazu sehen, wie wir solche Gespräche vor 18 Monaten geführt hätten.

Ein Ansatz hat sich aber nicht geändert. Wir haben bei Easee schon immer gesagt, dass wir Teil des künftigen Stromnetzes sein wollen. Wir glauben, dass wir mehr als ein reiner Hersteller von Ladegeräten sind. Was das für uns bedeutet und wie wir daraus abgeleitet handeln, wird jetzt in der neuen Strategy 2027 zu Papier gebracht.

Heißt das, dass Easee an Vehicle-to-Grid-fähigen Wallboxen oder Produkten arbeitet, wenn man „Teil des Stromnetzes“ werden will?

Es könnte V2G sein, ja. Wir sind aber nicht auf Vehicle-to-Grid angewiesen, um Dienste rund um das Stromnetz anzubieten. Wir haben bis jetzt über 700.000 Ladepunkte verkauft und in Betrieb. Damit kann man viele smarte Dinge machen, vom optimierten Heimladen mit PV-Integration über dynamische Stromtarife bis hin zum Peak-Shaving. Das sind Bereiche, in denen wir uns in Zukunft sehen.

Sprechen Sie damit eher Betreiber größerer Standorte an? In der Heimanwendung gibt es bereits zahlreiche Anbieter, da wird nicht unbedingt der Hersteller der Wallbox das gesamte Energiemanagement im Haus übernehmen.

Ja und nein, es gibt Use Cases für beides. Wir müssen nicht das gesamte Home Management entwickeln, wir müssen aber ein Teil davon sein und die Integration unserer Produkte sicherstellen, wir müssen mit diesem Ökosystem kompatibel sein, um eine Rolle zu spielen. Auf der anderen Seite: Die Ladepunkte müssen sind nicht alle an einem Ort befinden, um smarte Funktionen anzubieten. Rund die Hälfte aller Easee-Ladepunkte sind an unsere Systeme angeschlossen. Damit können wir viel für die Stromnetze tun. Die Geschäftsmodelle entwickeln wir gerade noch. Es wird aber mehr sein als der reine Vertrieb von Lade-Hardware.

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